02.03.2023
In der März-Ausgabe der MOTOR KLASSIK hat Chefredakteur Hans-Jörg Götzl ein interessantes Vorwort zum Thema „Tempolimit“ geschrieben. Zusammengefasst ist er der Ansicht, dass ein Tempolimit kaum CO²-Einsparungen bringe und vor allem eines bedeutet: Man stehle ihm die Freiheit, schnell fahren zu dürfen.
Abgesehen davon, dass möglichst schnell fahren kein im Grundgesetz verankertes Grundrecht ist, was wäre so schlimm daran, wenn auch die letzte Industrienation der Welt ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einführt? Würde es zu einem Untergang der deutschen Automobilindustrie führen? Wohl kaum, denn das würde ja bedeuten, dass Unternehmen wie Porsche und Mercedes-Benz, zufällig ebenfalls in Stuttgart beheimatet wie die MOTOR KLASSIK, keine Sportwagen und generell hubraumstarke Fahrzeuge mehr außerhalb Deutschlands exportieren könnten. Wenn ich mir die Exportstatistiken ansehe, so bietet sich mir ein anderer Eindruck. Der größte Teil der deutschen Fahrzeugproduktion geht ins Ausland, also in Länder mit bestehendem Tempolimit. In Italien werden Ferraris und Maserati gebaut, in Großbritannien Aston Martin und eine der größten Automobilproduzenten kommt aus Japan, alles Länder mit einem restriktiven Tempolimit. Dazu bestätigte z.B. der ehemalige VW-Chef Herbert Diess in einem Gespräch mit dem Handelsblatt, dass ein Tempolimit seinem Konzern keine wirtschaftlichen Nachteile bringen würde: „Wir verkaufen unsere Autos auf der ganzen Welt, auch in den Ländern mit Tempolimit“.
Bedeutet das vorhandene Tempolimit, dass in diesen Ländern keine Freiheit mehr besteht? Freiheit hat auch für mich als oldtimerbegeisterten Menschen eine andere Bedeutung als die möglichst schnelle Beschleunigung auf einer Autobahn. Was die Einschränkung von Freiheit bedeutet, sehen wir aktuell in der Ukraine, aber auch in Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei, Russland oder Syrien. Ich habe mich in diesen Tagen mit einem Kollegen, einem syrischen Flüchtling, unterhalten und ihm erzählt, dass in Deutschland die Freiheit sterben würde, wenn es ein Tempolimit auf der deutschen Autobahn gäbe. Seine Reaktion war da ziemlich eindeutig. Aber jeder verbindet mit dem Begriff „Freiheit“ vermutlich etwas anderes.
Ein Großteil der Strecken auf unseren Autobahnen ist ohnehin mit Tempoeinschränkungen ausgestattet. Dies dient in erster Linie der Vermeidung von Unfällen – mit einer der Gründe, warum unsere Autobahnen zu den sichersten der Welt gehören – und zur Vermeidung von Staus, vor allem in den Ballungszentren.
Herr Götzl schreibt weiter, dass ein Tempolimit laut Umweltbundesamt zwar 6,7 Millionen Tonnen CO² einsparen würde, er stellt gleichzeitig die Frage, was so eine Zahl noch wert sei. Schließlich wisse jeder Statistiker, dass man Berechnungen in eine gewünschte Richtung schubsen und damit die Leute manipulieren könne. Richtig, zum Beispiel in die Richtung, dass ein Tempolimit doch gar nichts einspare und man deshalb möglichst schnell fahren könne; insbesondere, wenn man Begriffe wie „vermutlich“ einstreut. Ich gebe dem MOTOR-KLASSIK-Chefredakteur Recht, wenn er davon ausgeht, dass ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen nicht die weltweiten und auch nicht die deutschen CO²-Emmissionen deutlich herabsetzen würde. Es ist ein Mosaiksteinchen von vielen. Dazu gehören auch alte Kamine, Dieselfahrzeuge und Kohlekraftwerke.
Stirbt die Oldtimerszene mit einem Tempolimit? Ich glaube, darüber müssen wir nicht diskutieren. In unserem Nachbarstaat, den Niederlanden, oder in Großbritannien gibt es seit Jahrzehnten ein Tempolimit – und gleichzeitig eine große Oldtimerszene. Die Mehrzahl der Oldtimerfahrer hat überhaupt kein Interesse, auf der Autobahn mit 180, 190 oder 200 km/h zu brettern; vermutlich auch, weil sie es gar nicht können. Aber viele Oldtimerbesitzer, die ich kenne, haben ein großes Interesse, ihren Kindern und den nachkommenden Generationen ein Leben in einer zumutbaren Umwelt zu ermöglichen. Die Folgen des Klimawandels sind auch bei uns mit Hitzewellen, schlechten Ernten und in vielen Regionen mit Grundwasserproblemen spürbar. Dem entgegenzusteuern hilft auch das Mosaiksteinchen Tempolimit. Oldtimer fahren bedeutet ja nicht, im Denken vergangener Jahrzehnte stehen geblieben zu sein.
Wir Oldtimerbesitzer haben doch schon genug Probleme, weil es immer mehr Bevölkerungsteile gibt, die die Zulassung von Oldtimern mit H-Kennzeichen und den damit verbundenen Ausnahmeregelungen für Umweltzonen infrage stellen. Da diese Fahrzeuge in der Regel keine große Fahrleistung im Jahr haben, sehe ich solche Ausnahmeregelungen für gerechtfertigt, schließlich sind Oldtimer auch automobiles Kulturgut, gerade in Deutschland. Aber wenn nun ausgerechnet Oldtimermagazine mit dem schwachen Argument "Mir wird mir meine persönliche Freiheit gestohlen" gegen ein Tempolimit auf Autobahnen eintreten, so halte ich das für kontraproduktiv und ein für die Akzeptanz der Oldtimerszene schädliches Verhalten.
Ich empfehle zur Diskussion um ein Tempolimit gerne den am 22.02.2023 erschienen Beitrag im Handelsblatt online: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/tempolimit-auf-der-autobahn-wie-sich-deutschland-von-anderen-laendern-unterscheidet/28959892.html
Wie gesagt, unsere Freiheit hängt nicht davon ab, ob wir auf den noch nicht eingeschränkten Bereichen der deutschen Autobahnen so schnell fahren dürfen, wie wir wollen oder können. Wer heizen will, soll zum Nürburgring fahren. Das kostet zwar ein bisschen, aber über die Nordschleife zu fahren, macht Spaß – das kann wohl kaum einer besser beurteilen als Herr Götzl und da bin ich ganz bei Ihm. Im Alltag hingegen ist es nicht notwendig.
Auch wenn wir in dieser Frage sehr konträre Ansichten haben, werde ich weiterhin die Lektüre MOTOR KLASSIK genießen und mich auf tolle Reportagen des MK-Chefredakteurs Hans-Jörg Götzl freuen.