Bremen Classic Motorshow 2021 versus Corona - so war's

 

Im vergangenen Jahr eröffnete die Bremen Classic Motorshow die Oldtimersaison 2020 – einen Monat später wurde diese Saison mit der Osnabrücker Messe OSNA-Oldies aufgrund der Covid-19-Pandemie wieder beendet. Wer hätte damals gedacht, dass uns die Pandemie auch im Jahr 2021 noch in diesem Maße begleiten wird? Wer hätte gedacht, dass es in diesem Jahr keine Bremen Classic Motorshow, OSNA-Oldies oder andere Klassikerveranstaltungen geben wird?

 

Doch das Team um Frank Ruge, Projektleiter der BCM, hat sich davon nicht unterkriegen lassen. Eine Präsenzveranstaltung mit tausenden Besuchern in den Bremer Messehallen war aufgrund der Pandemie und der dadurch bedingten Einschränkungen nicht möglich. Also stellten sie in diesem Jahr die Messe online.

 

Während draußen der erste Schnee fiel, moderierte Frank Ruge zusammen Johannes Hübner die digitale Ausgabe der BMC. In zahlreichen Videos stellten Johannes Hübner Fahrzeuge in der Halle 4 der Bremer Messehallen vor, die dieses Jahr u.a.  im Rahmen von Sonderschauen gezeigt werden sollten. Zwischendurch beantworteten sie Fragen, die Zuschauer online gestellt hatten und hatten Gäste auf dem Podium – natürlich mit entsprechendem Abstand.

 

Im ersten Video war dann aber Wolfgang Blaube, Motorjournalist, Vorsitzender der Automobilhistorischen Gesellschaft und vielen bekannt als „Klugscheißer“ der Oldtimer Markt, der das erste Paar der für 2021 geplanten und auf 2022 verschobenen Sonderschau „Biedermann & Brandstifter“ vorstellte. Zwei Renault 5 stellte er vor – einen unscheinbaren Renault 5 TL mit seinem 44 PS starken, vorne im Fahrzeug eingebauten Motor, der von dort aus die Vorderräder antrieb, und seinen bösen Bruder, den Renault 5 Turbo. Mittelmotor, Heckantrieb, 160 PS – das war reine Renntechnik und geeignet zum Porsche-Jäger. Mit rund 44.000 DM war er 5 x teurer als die Basisversion des braven Renault 5 und auch teurer als die Renault Alpine.

 

Das zweite Paar aus dieser Sonderschau war der „Baby-Benz“ 190. Gebaut wurde er in Bremer Mercedes-Werk, dem ehemaligen Borgward-Werk. Den 190er gab es als 190E mit 122 PS oder in der Vergaser-Version mit 90 PS. Ihm gegenüber stand der 190 E 2,5 16 Evolution 2, gebaut nur 502 x ab 1990 direkt bei Mercedes-Benz. Mit riesigem Heckspoiler und 235 PS war es der Wiedereinstieg von Mercedes in den Motorsport. Auch für die Honoratioren des Stuttgarter Premiumherstellers war der Wagen ein „Kulturschock“ – der dann 1992 alles gewann, wie der damalige Entwicklungsleiter erzählte. Vor allem gewann man gegen den Erzrivalen BMW. Kostendeckend waren die in Handarbeit gebauten 502 Fahrzeuge (inkl. zwei Vorserienfahrzeugen) aber nicht.

 

Anschließend wiesen Ruge und Hübner auf die Umsetzung des Parkhauses und Teilemarktes in einem digitalen Format hin. 1.600 Anzeigen mit Fahrzeugen, Teilen, Automobilia und Dienstleistungen standen und stehen den Zuschauern und Oldtimerfans zur Verfügung. Auch konnten sich die Oldtimerclubs auf digitalem Wege in Videos und Fotos präsentieren. Im Anschluss daran stellten sie Dr. Goetz Knopp vor. Der Fachanwalt für Oldtimer- und Verkehrsrecht und Mitglied extra geschaltete Telefonnummer stand am Samstagnachmittag Oldtimerfreunden für Fragen zum Thema „Oldtimerrecht“ zur Verfügung.

 

Als nächster Punkt der digitalen BCM stand die Verleihung des diesjährigen „Goldenen Kolbens“ auf dem Programm. Das Forum für Fahrzeuggeschichte ehrte in diesem Jahr Matthias Kaluza. Der Autor, Designer und Ausstellungsmacher ist eng verbunden u.a. mit den Automuseen PS.Speicher Einbeck oder August Horch Museum.

 

Das „Tafelsilber der Audi Tradition“ ist Bestandteil der Motorrad-Sonderschau im kommenden Jahr. 17 DKW- und NSU-Werksrennmotorräder werden 2022 zu sehen sein. Frank Ruge verwies dazu auf die auf Mediathek der BCM hinterlegten Texte von Eberhard Kittel zur Sonderschau. Zwei sehr unterschiedliche Motorräder stellte Johannes Hübner im Gespräch mit Andy Schwietzer vor: Eine DKW 250 Supersport, gebaut Ende der 30er Jahre, und eine Suzuki Katana 1100 aus dem Jahr 1981. Danach stellte Hübner zusammen mit dem Besitzer eine DKW ORS 250, eine nur 19 x in Zschopau gebaute Geländemaschine von 1938 vor.

 

Für mich ein Highlight dieser besonderen Classic Motorshow war der Cadillac A452 V16-Roadster aus dem Jahr 1930, den Johannes Hübner als nächstes präsentierte. Der luxuriöse Zweisitzer wurde zunächst an den Gouverneur von Gibraltar ausgeliefert, der ihn neben seinen Rolls-Royce-Dienstwagen als Privatwagen nutzte. Über den Krieg kam der Cadillac nach Marokko, später in die Niederlande und schließlich nach Hamburg zum heutigen Besitzer. Der mit einer Fleetwood-Karosserie versehene Luxuswagen hat einen 16-Zylinder-Motor mit 7 Liter Hubraum, mitdrehende Scheinwerfer (mechanisch), Trittbrettbeleuchtung und eine ausklappbare Gepäckbrücke für Koffer.

 

Das Gegenteil vom imposanten Luxus-Cadillac war das nächste Fahrzeug, dass Johannes Hübner in der Halle 4 vorstellte. Ein Sachsenring Trabant 601 Universal mit Anhänger fuhr vor und ihm entstiegen Frank Schwartmann und seine Tochter Lena. Sie verband mit dem Trabant eine besondere Geschichte, denn mit dem „Trabbi“ und seinen 26 PS ging es nicht nur rund um die Ostsee nach St. Petersburg und nach Afrika, sondern auch bei der 20nations Rallye in 16 Tagen über knapp 8.000 Kilometer. Keine Autobahnen, kein Navi, keine Motorbremse bei fünf Passüberquerungen, übernachten im Dachzelt, Der Anhänger mitsamt Werkzeug, Ersatzteilen und Gepäck wurde n Bulgarien gestohlen. Das alles konnte die Beiden aber nicht daran hindern, die Rallye zu gewinnen – mit dem kleinsten Fahrzeug mit dem kleinsten Motor. Respekt!

 

Junge Klassiker wurden als nächstes präsentiert und standen auch zum Verkauf: Eine heute seltener Ford Taunus II Turnier 1,6 L aus dem Jahr 1976, ein Peugeot 205 vom 1987 quasi im Neuzustand und nicht einmal 10.000 km Laufleistung sowie ein 1992er Opel Lotus Omega in bestechendem Zustand. Frank Ruge beschrieb dabei auch, wie die Bremen Classic Motorshow 2011 zum Thema „Junge Klassiker“ kam und erklärte zusammen mit Norbert Schroeder, Leiter des TÜV Süd ClassiC. Im Anschluss danach folgte ein Filmportrait über Rolf Witthöft, der einst zur Weltspitze gehörende beste deutsche Geländefahrer.

 

Zeitgenössische Tuning der 70er, 80er und 90er Jahre – was ist legal, was ist zeitgenössisch? Im Gespräch mit Markus Tappert vom TÜV Serviceline ClassiC näherte sich Frank Ruge dem Thema. Beispielhaft für unterschiedliche Arten von Tuning standen ein VW Scirocco II Cabrio Rieger Tuning. Das Breitbaufahrzeug wurde zwar 1992 bei Karmann in Osnabrück gebaut, Erstzulassung ist jedoch erst im Jahr 1997, denn das Cabrio ist kein Volkswagen mehr, sondern ein Rieger. H-Kennzeichen ist daher erst ab 1997 möglich. Das zweite Fahrzeug ist deutlich dezenter, denn es stand nicht für optisches Tuning, sondern wurde technisch optimiert. Der Opel GT von 1971 hatte mit seinem 2-Liter-Motor nicht nur ein stärkeres Aggregat unter der Haube, sondern auch ein modifizierte Bremsanlage mit innenbelüfteten Scheibenbremsen. Dritter im Bunde und eine Ikone für Fans der Filmreihe „Fast and Furious“: Ein Nissan Skyline GT-R R 34. Offiziell wurde der mit einem Werkstuning versehene Rechtslenker nie nach Deutschland geliefert.

 

Weiter ging es mit Johannes Hübner in der Halle 4. Besitzer Karsten Pätzolt vom Verein WirtschaftsWunderWagen fuhr mit einem 1905 in Varel bei Oldenburg gebauten Hansa Typ A6 vor. Der Voiturette mit seinem über einen Lederriemen angetriebene 2-Zylinder-V-Motor war ein Rechtslenker gehörte für mich ebenfalls zu den Highlights des Tages. Das nächste von Joannes Hübner vorgestellte Fahrzeug war ein Golf II GTI. Im Grunde ein gewöhnliches Fahrzeug wies dieser GTI eine Besonderheit auf: Er war der einzige als Neuwagen in die DDR verkaufte Golf GTI. Die „Kommerzielle Koordinierung“ der DDR hatte den Wagen für einen verdienten Mitarbeiter geordert – mit üppiger Ausstattung wie Klimaanlage, elektrischen Fensterhebern, höhenverstellbaren Ledersportsitzen. Der GTI hat mehr als 200.000 Kilometer gelaufen und ist seit 2013 beim heutigen Besitzer. Das dritte Fahrzeug dieser Präsentationen ist ein Ford F-250 Styleside und steht für die auf 2022 verschobene Sonderschau zum Thema US-V8-Pickups. Dieses Fahrzeug von 1968 gehört zur 5. Generation der seit 1948 gebauten Baureihe und wurde von Johannes Hübner und Motoraver-Autor Helge Thomsen präsentiert. Zum Schluss dieses Programmpunktes stellte Hübner noch zwei Ducati Pantah 600 vor.

 

Bei Autos aus Bremen denkt jeder sofort an Borgward. Doch nach dem Aus von Borgward produzierte Mercedes-Benz Automobile in der alten Borgward-Fabrik. Dazu gehörten auch die beiden zum Motto „Biedermann & Brandstifter“ vom Autojournalisten Christian Steiger vorgestellten Mercedes-Benz T-Modelle. Der Biedermann war der MB  300 TD. 5 Zylinder, 80 PS Diesel, 150 km/h – dieser Serienkombi von Mercedes in Kaledoniengrün mit Kinderbank als Siebensitzer (Blick nach hinten) hatte die Fahrgestellnummer 00033 und wurde 1978 gebaut. Das krasse Gegenteil war der 280 TE AMG. Sechs Zylinder, 210 PS, Klimaanlage, Airbaglenkrad – der 1984 noch mit 185 vom Band gelaufene Kombi kam 1988 zu AMG und wurde dort optimiert.

 

Nach den Präsentationen diverser Oldtimer gab es nun wieder drei Klassiker zum Erwerb, die von Projektleiter Ruge und der Firma Comco Leasing GmbH vorgestellt wurden. Dies waren ein 1966er Opel Manta B, ein seltener, von Bertone gezeichneter und zwischen 1969 und 1974 nur rund 300 x gebauter Iso Rivolta Lele sowie ein schickes Fiat 2300 S Coupé aus dem Jahr 1961. Dieser wurde von Luigi Segre gezeichnet, die Karosserie stammt entsprechend von Ghia. Der Sechszylindermotor mit 2300 ccm Hubraum schafft fast für damalige Zeiten sensationelle 200 km/h.

 

Weiter ging es mit den letzten Fahrzeugpräsentationen, die jeder für sich eine Besonderheit darstellten. Das erste Modell vielleicht noch nicht, denn so selten ist eine KTM Foxi von 1981 nicht. Aber mit ihr stellte Johannes Hübner auch den jungen Besitzer vor, der für den Nachwuchs der Oldtimerszene steht und der mit Freunden den Mofa-Club „Überströmer“ gegründet hat.

 

Von rund 35.000 in Heilbronn gebauten Audi 100 Coupé S haben gerade einmal 400 Fahrzeuge überlebt. Das in der Halle 4 gezeigte Coupé aus dem Jahr 1975 war das letzte Fahrzeug vom Rennfahrer Petermax Müller und stand 27 Jahre im Schaufenster seines Autohauses. Mit diesem Modell wollte Audi damals in die Oberklasse einsteigen und so kostete es bei seinem Einstieg 1969 auch doppelt so viel wie der Ford Capri. Der Einstieg hat geklappt, wie man heute weiß.

 

Kommen wir zum dritten meiner persönlichen Highlights: Dem Maybach Zeppelin DS 8, gebaut im Jahr 1932. Mit ihm fuhr Dr. Fritz Hardach, Maybach-Sammler aus Oldenburg, in die Halle 4. Der 180 x gebaute „deutsche Rolls-Royce“ ist ein Rechtslenker, verfügt über einen 12-Zylinder-Motor (DS = Doppelsechs = 12 Zylinder), eine Schaltung mit acht Gängen (mit Doppelschnellganggetriebe) und hat 200 PS. Das Gewicht des edlen Klassikers beträgt knapp drei Tonnen, dazu kann eine maximale Zuladung von weiteren 900 kg kommen. Der Maybach Zeppelin stand auf dieser virtuellen Messe für das Jubiläum „100 Jahre Maybach Automobile“, denn im Jahr 1921 wurde mit dem Modell W3 der erste Maybach präsentiert.

 

Mein viertes und letztes persönliches Highlight war ein Motorrad mit einer besonderen Geschichte. Die britische Rudge Special 500 war 1939 ein sehr teures Motorrad. Das hielt einen Berliner nicht davon ab, sie zu kaufen – für damalige Zeiten war der Kauf eines ausländischen Motorrades sicher eine nicht alltägliche Angelegenheit. Die Reifen stammten jedoch aus Deutschland, dies war damals so vorgeschrieben. Doch dann kam der Krieg, der Mann wurde von der Wehrmacht eingezogen. Vorher aber zerlegte er das Motorrad in seine Einzelteile und brachte sie im Keller seines Hauses unter. Wieder zusammenbauen konnte er sie nicht, denn er fiel im Krieg. Das Haus blieb nach einem Bombenangriff als einziges Haus unversehrt. In den siebziger Jahren sollten die Teile bei einer Wohnungsräumung an einen Schrotthändler gehen. Doch ein junges Paar half beim Aufräumen und durfte die Teile behalten. Sie stellten fest, dass diese Teile ein vollständiges Motorrad ergaben und bauten es wieder zusammen. Auch alle Dokumente waren noch vorhanden. Damit kam die perfekt erhaltene Rudge wieder auf die Straße.

 

Das letzte Fahrzeug dieser Präsentation war ein sehr skurriles Modell: Ein Fiat 850 T Bertone Visitor Tour Bus, gebaut im Jahr 1975 von Bertone, um sich bei Fiat wieder in Erinnerung zu bringen. Basis war dieses Fahrzeug war der Fiat 850 Kleinbus. Es hat auf jeder Seite drei Türen, dazu ein großes Glasdach und verfügt über sechs Sitze. Ein blauer, umlaufender Sicherheitsring und ein Überrollbügel in gleicher Farbe heben sich deutlich ab. Von diesem Bus wurden zwischen 10 und 20 Exemplare gebaut, genaueres ist nicht bekannt. Mit seinem Design, seinem Aufbau und seiner Funktion steht das Fahrzeug für die Vergangenheit, gleichzeitig aber auch für die Zukunft des Automobilbaus, so Johannes Hübner.

 

Damit endete die diesjährige, ungewöhnliche Bremen Classic Motorshow und Frank Ruge und Johannes Hübner verabschiedeten sich von den Zuschauern, nicht ohne das gesamte Team vorzustellen.

 

Die Idee, die Messe nicht einfach ausfallen zu lassen, sondern sich diese Form einer virtuellen Messe auszudenken, zu planen und schließlich auch durchzuführen, ist bemerkenswert. Ich fand die fünf Stunden interessant und unterhaltsam. Vielen Dank dafür an Projektleiter Frank Ruge, Johannes Hübner und das Team der Bremen Classic Motorshow. Natürlich hatte ich meine Highlights und auch Themen, die mich nicht ganz so interessierten – man muss sich ja auch mal einen Kaffee holen –, aber es war insgesamt eine tolle Alternative. Dennoch freue ich mich darauf, im nächsten Jahr wieder durch die Bremer Messehallen schlendern zu können, Freunde zu treffen, zu klönen, zu fotografieren, mir im kalten Parkhaus einen Schnupfen holen, den Cadillac, den Maybach, die Rudge und den Hansa zu sehen,..

 

 

Noch bis Ende April ist die digitale BCM übrigens auch nachträglich noch zu sehen: https://www.classicmotorshow.de/saisonstart/#livestream 

 

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